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Todesmetaphern 3
Heiner Müller |
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Heiner Müller aus: Werke 1 Die Gedichte, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1998 |
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BLAUPAUSE
Schlaflos im Fenster die Nacht
Fragt wozu das Ganze
Weil ich die Antwort nicht weiß
Das Dunkel lässt nicht mit sich reden
Geh ich zurück in den Schlaf
Der Morgen vielleicht weiß es anders
1993
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SCHWARZFILM
Das Sichtbare
Kann fotografiert werden
O PARADIES
DER BLINDHEIT
Was noch gehört wird
Ist Konserve
VERSTOPFT DEINE OHREN SOHN
Die Gefühle Sind von gestern
Gedacht wird
Nichts Neues Die Welt
Entzieht sich der Beschreibung
Alles Menschliche
Wird fremd
1993
LEERE ZEIT
Meinen Schatten von gestern
Hat die Sonne verbrannt
In einem müden April
Staub auf den Büchern
In der Nacht
Gehen die Uhren schneller
Kein Wind vom Meer
Warten auf nichts
1994
Ohne Titel
Beim Vorübergehen am Bücherregal
sehe ich den Titel
The green hills of Africa
Wie lange werden sie noch grün sein?
Was für ein Quatsch. Mein Reflex
auf den Titel ist weiter nichts als
die Sehnsucht nach einer Welt
oder Gegend, die nichts zu tun
hat mit dem, worüber zu schreiben
ich gezwungen bin, von wem?
Ohne Titel
Mit der Wiederkehr der Farbe droht die
Auferstehung
ICH HABE DIR GESAGT DU SOLLST
NICHT WIEDERKOMMEN TOT IST
TOT.
Der Tod ist ein Irrtum.
DRAMA
Die Toten warten auf der Gegenschräge
Manchmal halten sie eine Hand ins Licht
Als lebten sie. Bis sie sich ganz zurückziehn
In ihr gewohntes Dunkel das uns blendet
1995
Ohne Titel
ICH KAUE KRANKENKOST DER TOD
Schmeckt durch
Nach der letzten
Endoskopie in den Augen der Ärzte War mein Grab offen
Beinahe rührte mich
Die Trauer der Experten und beinahe War ich stolz auf meinen unbesiegbaren Tumor
Einen Augenblick lang Fleisch
Von meinem Fleisch
1995 |
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